In einem wahren Abstiegskrimi siegt Arolsen gegen Kaufungen denkbar knapp mit 4,5:3,5 und hält sich alle Chancen für den Klassenerhalt offen.
Die Vorzeichen standen für Arolsen alles andere als günstig: Mit Paul Schäfer fehlte erneut das Spitzenbrett. Nicht viel besser erging es Brett 2: Thomas Bölke schleppte sich mit schwerer Erkältung ans Brett, an Schachspielen war eigentlich nicht zu denken.
Das er dennoch antrat lag nicht zuletzt an der Bedeutung des Kellerduells. Ohne einen Sieg wäre der Arolser Abstieg quasi schon beschlossene Sache gewesen. Entsprechend kämpferisch hatte Mannschaftsführer Hermann Henze seine Leute eingestimmt: „Wenn wir es heute nicht rumreissen, wann dann?“
Wie geplant agierten die Arolser in ihren Partien angriffslustig und forsch. Zu forsch wie sich schnell herausstellte. Es waren keine zwei Stunden gespielt, da gingen die Gäste aus Kaufungen in Führung. Ersatzspieler Friedrich Wagener schien in einer wahren Traumpartie seinen Gegner im Königsangriff zu erlegen. Doch Martin Becker dachte nicht daran sich als leichte Beute zu gerieren und setzte Wagener selbst matt – 0:1 für Kaufungen.
Nicht viel besser erging es am Spitzenbrett Hermann Henze. Der hatte in einem auf Hauen und Stechen angelegten Königsgambit alles auf eine Karte gesetzt und dabei ein verstecktes Ass von Uwe Hänisch übersehen. Statt seinen Gegner mattzusetzen hing der eigene König plötzlich im Mattnetz – 0:2 für Kaufungen.
Das Leiden der Arolsen war damit aber immer noch nicht vorbei. Denn auch der in letzter Zeit groß aufspielende Emil Ackermann wurde Opfer von allzu viel Optimismus. Sein Turm konnte sich auf Dauer einfach nicht der beiden gegnerischen Leichtfiguren erwehren, weiterer Materialverlust war unvermeidlich – 0:3 für Kaufungen.
„Das wars dann wohl“ geisterte es durch die Köpfe der Arolser. Wettkampf verloren, Abstieg besiegelt. Nordhessenliga wir kommen. „Von wegen“ dachte sich Gerd Brückmann im Stillen. Trotz Mehrbauer schien sein Endspiel von einem Gewinn meilenweit entfernt zu sein. Doch während sich sein Gegner im Glauben an das sichere Remis einfach hinten reinstellte, manövrierte Brückmann seine Figuren geschickt Richtung König. Und siehe da: Wie aus dem Nichts und von allseitigem Staunen begleitet zauberte der Arolser einen eleganten Mattangriff aufs Brett. Nur noch 1:3 für Kaufungen, Arolsen war wieder dran.
Als hätte es dieser Initialzündung bedurft, spielten die Residenzstädter mit einem Male wie ausgewechselt. Zunächst hielt Rudolf Beisinghoff nicht nur auf wundersame Weise sein fast schon verloren geglaubtes Endpiel mit ungleichfarbigen Läufern Remis, sondern hätte am Ende beinahe selbst den Gegner mattgesetzt.
Auch die Partie von Martin Malinowski nahm mit einem Male eine erstaunliche Wendung. Nachdem sein Gegner alle Angriffsbemühungen am Damenflügel gekonnt pariert hatte, murmelte der Arolser: Dann greife ich halt am Königsflügel an. Sprachs und schritt sogleich zur Tat. Mit Erfolg. Denn während sich die gegnerischen Figuren immer noch am Damenflügel tummelten, fiel Malinowski am anderen Flügel mit einem Bauernsturm über den König her – nur noch 2,5:3,5 für Kaufungen.
Für den kaum noch für möglich gehaltenen Ausgleich sorgte nach viereinhalb Stunden Thomas Bölke. In einer schwermütigen Partie griff er sich nach dem Anschlusssieg von Gerd Brückmann ans Herz und spielte mit vollem Risiko auf Sieg. Von seiner Erkältung völlig unbeeindruckt, brach Bölke in beiderseitiger Zeitnot schließlich mit einem spektakulären Turmopfer durch und ließ seine Freibauern zum Sieg laufen.
So stand es 3,5:3,5. Der Abstiegskrimi hätte dramatischer kaum verlaufen können. Die Spannung im Spielsaal war förmlich greifbar. Die Entscheidung lastete nun auf den Schultern von Jürgen Wolf und Samuel Maar. Für den Arolser sprach, dass er deutlich mehr Erfahrung in die Waagschale werfen konnte. Andererseits agierte Wolf in der laufenden Saison dermaßen unglücklich, dass – weiter wollten seinen Kollegen besser nicht denken. In stiller Hoffnung widmete sich die Arolser Aufmerksamkeit ganz dieser letzten Partie. Und die sah nach über vier Stunden Spielzeit gar nicht mal schlecht aus. Wolf eroberte Figur um Figur, am Ende hatte er glatt vier Bauern und einen Springer mehr. „Das muss doch reichen“ murmelten seinen Kollegen vor sich hin. Und es reichte. Von viel Jubel begleitet liefen die Bauern zum glücklichen 4,5:3,5 Erfolg.
Mit Lauterbach steht am siebten Spieltag gleich der nächste Abstiegskrimi ins Haus. Arolsen muss voll punkten, um die Chance auf den Klassenerhalt zu wahren. Das die Residenzstädter gewinnen können, haben sie gerade gegen Kaufungen bewiesen. Und wie.
SV Anderssen Arolsen 1 | – | SC Kaufungen 1 | 4,5:3,5 |
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Henze, Hermann-Josef | – | Hänisch, Uwe | 0:1 |
Boelke, Thomas | – | Kirchner, Vincent | 1:0 |
Brückmann, Gerd | – | Mykietyszyn, Pawel | 1:0 |
Wolf, Jürgen | – | Maar, Samuel | 1:0 |
Ackermann, Emil | – | Wander, Bernhard | 0:1 |
Malinowski, Martin | – | Bebendorf, Uwe | 1:0 |
Beisinghoff, Rudolf | – | Eiser, Karsten | ½:½ |
Wagener, Friedrich | – | Becker, Martin | 0:1 |